NEUES, LUSTIGES, ERLEBTES, GEDACHTES
UNSER BLOG
14.10.2024
Wie geht das mit dem fiktiven Schreiben? Wir können nur von uns sprechen: Eigentlich wissen wir es nicht, aber wir können beschreiben, wie es geschieht.
Zunächst ist da eine erste vage Idee zu einer Geschichte, manchmal aus dem Nichts, manchmal durch bewusstes Nachdenken, worüber wir Lust hätten zu schreiben. Wenn wir dann ein neues Buch beginnen, dann stehen das grobe Gerüst und der Plot der Geschichte. Die wichtigen Eckpunkte und das Ende sind klar und auf wenigen Seiten skizziert, nachdem dies alles manchmal wochenlang, manchmal nur eine Stunde in unseren Köpfen bewegt wurde.
Doch dann, mit den ersten geschriebenen Worten, entwickeln die Figuren und das Geschehen plötzlich ein Eigenleben und wir folgen einfach staunend. In unserem Roman „Das vergessene Lied“ finden sich viele solcher Beispiele, von denen wir hier nur einige anführen, weil es sonst den Rahmen sprengt.
So wird ein Nebensatz, dem wir nicht viel Wert beigemessen haben, als er entstand, denn er sollte nur eine Eigenart einer Person beschreiben, um sie den Leser noch mehr ins Herz schließen zu lassen, etliche Seiten weiter auf einmal zu einem wichtigen Baustein einer anderen Szene, so die halbausgetrunkenen Tassen von Lilia. Oder eine anfängliche Szene beeinflusst später immer wieder die ganze Geschichte, so Arvads Weisheiten. Eine Randfigur übernimmt plötzlich ungeahnt eine wichtige Rolle wie Grundula oder Marta, andere Figuren verändern sich in ihrer Rolle und bringen eine andere Botschaft mit sich als ursprünglich angedacht, wie Lydia. Manche Szenen, die wir vorher fest im Kopf hatten, fallen auf einmal ganz heraus, weil sie einfach nicht mehr passen. Neue Szenen entstehen, die alles ganz wunderbar zusammenführen oder weil ein anderer Übergang zum nächsten Kapitel notwendig wird. Und all das geschieht, ohne dass wir es vorher wissen oder planen. Wie sich also das Gerüst füllt und der Plot sich genau entwickelt, wie alles tatsächlich in Worte und Bilder gebracht wird, das wissen wir vorher selbst nicht und schauen staunend zu.
Wir sitzen immer wieder vor einem weißen Computerbildschirm mit einem frisch geöffneten leeren Worddokument und wissen einzig, in diesem Kapitel soll es inhaltlich um dieses oder jenes gehen. Aber wie fangen wir an, wie kommen wir dahin? Keinen blassen Schimmer, oder manchmal nur eine vage Ahnung.
Und dann taucht plötzlich ein Gedanke auf, manchmal ist es nur ein erstes Wort, manchmal ein erster ganzer Satz, manchmal das Bild einer Szenerie – und wir wundern uns und wissen oft immer noch nicht, wie es von dort weitergehen wird.
Doch daraus entwickelt sich dann einfach alles weitere. Manchmal auf Wegen, die wir uns so ähnlich schon vorgestellt hatten, als wir darüber vorab sinnierten, manchmal auf vollkommen andere Weise als vermutet und manchmal aus einer vollkommenen Stille und Leere des Nichtwissens. Es ist jedes Mal wie ein Wunder und ein Geschenk. Da steht plötzlich etwas, aber woher es genau kam …? Großes Schulterzucken.
Und genau das ist das Tolle für uns am Schreiben: Wir erzählen uns selbst eine Geschichte, die wir noch kaum kennen und freuen uns ungemein daran, wie sie Wort um Wort entsteht. Es entwickeln sich vor dem inneren Auge und auf dem Computer Geschehnisse, Figuren und Welten, die es vorher nicht gab und die uns so sehr ans Herz wachsen wie eigene Kinder, ja, es sind sogar die eigenen Kinder. Und sie kommen mit in unseren Alltag.
Als ich an Lilia und Venia schrieb, fragte ich mich tatsächlich manchmal in einer eigenen Lebenssituation, was die beiden jetzt wohl tun würden, wie sie damit umgehen, wie sie eine Lösung finden würden und es half mir in meinem eigenen Leben. Oder Tom und ich alberten, dass Miro, Arvad, Friedmann oder Rodolf jetzt dieses oder jenes gesagt hätten zu dem, was wir gerade zusammen erlebten. Das ist wirklich lustig und eigentlich so klar, denn sie alle sind ja wir. Sie sind aus uns entstanden und sie können letztlich nur denken und handeln, wie wir selbst es uns vorstellen können.
Und doch sind sie wie eigene Persönlichkeiten. So wussten wir in vielen Schreibmomenten, diese Figur kann sich in dieser Szene nur so verhalten oder nur das sagen, weil wir deren Charakter zu Beginn so geformt haben, wie er jetzt ist und etwas anderes ist nicht mehr möglich. Es ist tatsächlich so! Wir müssen es so schreiben, es geht gar nicht anders! Es ist, als haben wir unsere Macht an die Figur abgegeben, wenn wir sie einmal ins Leben gerufen haben.
Und so macht es uns unglaublichen Spaß, beim Schreiben uns selbst, unseren Figuren und unserer sich entwickelnden Geschichte zuzuschauen und wundersame Wendungen und das Wunder unserer Fantasie mitzuerleben.
Und wenn wir am Ende das fertige Buch in den Händen halten und es in einem Rutsch lesen, können wir nur verwundert den Kopf schütteln und sagen: Wow! Wir hatten eine Idee, die von irgendwoher zu uns kam und was daraus geworden ist, ist ein wunderschönes Geschenk!
Welche Erfahrungen hast du mit dem Schreiben fiktiver Geschichten oder ähnlichen Begebenheiten gemacht, in denen Fantasie und Kreativität eine Rolle spielen, zum Beispiel beim Malen, Bildhauern oder Komponieren, Basteln, Handwerken, Geschenke ausdenken oder Tagträumen?
Katja Bode - 12:53 @ Schreiberlebnisse | Kommentar hinzufügen
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